Auf ein Wort, Herr Kentsch!

Im großen Exklusivinterview stellt sich Roland Kentsch den Fragen von Markus Freise und Mischa-Sarim Vérollet rund um die Kritik bezüglich seiner Doppelfunktion in Verein und KGaA, den Stadionneubau, Arminias Sparzwang, Pläne zur Lockerung der 50+1-Regelung und seinen Ausblick auf die Zukunft des DSC.

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Herr Kentsch, wie geht es Ihnen?

Mir geht es gut. Mit unserem OB Eberhard David hatten wir heute einen mehrstündigen Termin mit dem Organisationskomitee der Frauen-WM . Wir haben das neue Stadion und das komplette Umfeld besichtigt und einige Anregungen aufgenommen. Jetzt geht es für Arminia als Stadionbetreiber und Bielefeld als sogenannte Hostcity darum, die Verträge vorzubereiten. Wir und die Stadt glauben, dass wir alle Chancen haben, Ausrichter zu werden und sind uns sicher, dass es für ganz Bielefeld – den Club, die Stadt, die Menschen – eine tolle Sache wäre.

Herr Kentsch, wir sitzen hier mit Ihnen in Ihrem neuen Büro, das einen wunderbaren Ausblick auf den Rasen der neuen SchücoArena bietet – erfüllt Sie die neue Tribüne mit Stolz?

Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, Arminia in einem ständig wachsenden Markt für unsere Verhältnisse erfolgreich zu positionieren. Dieser Prozess ist nicht zu Ende. Und ich und viele andere im Umfeld sind überzeugt, dass der Schlüssel zum langfristigen Erfolg das Stadion ist. Nehmen wir als positives Beispiel Eintracht Frankfurt. Die standen vor einigen Jahren kurz vor der Insolvenz und sind nur aufgefangen worden durch eine konzertierte Aktion der hessischen Politik, sowohl von Land als auch von Stadt, und haben dann ein wunderschönes WM-Stadion geschenkt bekommen. Diese Arena hat in der Folge eine Akzeptanz gefunden, die nicht von vornherein zu prognostizieren war. Es war am Anfang nicht so, dass alle Business-Seats verkauft waren oder es einen potenten Namensgeber gab. Das alles brauchte Zeit. Aber mittlerweile hat sich alles mehr als positiv entwickelt. Es ist heute schick, zur Eintracht zu gehen, vor fünf Jahren war das Gegenteil der Fall. Und so habe ich die Hoffnung, dass sich – trotz aller Kinderkrankheiten, die eine neue Tribüne mit sich bringt – die Stimmung rund um dieses wunderschöne Stadion weiterhin und langfristig entwickelt und Arminia letztendlich mit diesem Wind im Rücken noch größere Chancen auf eine langfristige Erstligazugehörigkeit hat.

Das Stadion ist ein Erfolg, unsere gesunden Finanzen ein anderer. Zwar wirft man Ihnen immer wieder Ihre Sparsamkeit vor, andererseits gäbe es ohne Sie Arminia womöglich nicht mehr, Sie bewahrten Arminia einst vor der drohenden Insolvenz…

Ich weiß nicht, ob es Arminia Bielefeld ohne mich nicht mehr gäbe. Aber es ist so, dass wir durch die vielen Auf und Abstiege in Gott sei Dank zurückliegender Zeit erhebliche Probleme in wirtschaftlicher Hinsicht hatten, das Schiff auf Kurs zu halten. Gerade im letzten Abstiegsjahr hatten wir, auch aufgrund der Kirch-Pleite, große Einnahmeverluste. Die Vertragssituationen waren nicht so gestaltet, dass wir sofort den rückläufigen Umsatz auf der Aufwandsseite auffangen konnten. Wir hatten Altverpflichtungen, die weit über die potentiellen Erlöse hinausgingen. Die Probleme gingen also über das Sportliche hinaus, wir hatten Spieler, die in der zweiten Liga annähernd so viel verdienten wie in der ersten. Und wenn man sich im Abstiegsfalle nicht von ihnen trennen kann, belastet das den Verein sehr.

Geschäftspolitisch haben wir den Kurs geändert. Auf der Aufwandseite muss auch immer die Risikosituation „Abstieg“ miteingeplant sein. Heute haben wir – bis auf eine Ausnahme – ausschließlich Spieler mit Verträgen für die erste und zweite Liga, was bedeutet, dass ein Spieler in der zweiten Liga gehaltlich nur noch 50 bis 60 Prozent des Erstliga-Niveaus erreichen würde. Das hört sich leicht an, ist aber bei den Verhandlungen umso schwerer. Wir befinden uns im ständigen Wettbewerb mit anderen Vereinen, die es zum Teil nicht so handhaben und so bedarf es großen Verhandlungsgeschicks, gute Spieler von unserem Konzept zu überzeugen. Letztendlich bedeutet diese Geschäftspolitik im Idealfall, dass man auf der finanziellen Seite in der ersten Liga so stark ist, dass man bei einem Abstieg einen ausreichenden Puffer hat, um andere potentielle Aufsteiger hinter sich zu lassen. Und ich glaube, dass wir auf dem Weg zu diesem Optimum ein gutes Stück vorangekommen sind. (Um Arminia Bielefeld mal in Zahlen einzuordnen: Wir machen jährlich einen Umsatz von 35 Millionen Euro, der Ligadurchschnitt liegt bei 70 Millionen. Der Durchschnitt! Die Spitze –Schalke, Bremen – erreicht weit über 100 Millionen, die Bayern 230 Millionen Euro. Das definiert also den Rahmen der Möglichkeiten, die Arminia hat.)

Ist das das Geheimnis des Arminia-Erfolgs? Dass wir uns mit dieser Situation, immerzu finanziell begrenzt agieren zu müssen, auskennen und mit ihr umgehen können?

Ich glaube, dass wir das gelernt haben. Und mit „wir“ meine ich nicht nur die Geschäftsführung oder den Vorstand des e.V. Wenn solch eine Philosophie funktionieren soll, muss der Rückhalt viel breiter sein. Es würde doch überhaupt nichts nutzen, wenn ich diese Geschäftspoltik alleine für richtig hielt und sie mit der Brechstange durchsetzen wollte, dazu wäre ich gar nicht in der Lage. Man muss Menschen mitnehmen, darauf kommt es an, Mitarbeiter, Gremien, ja, auch die breite Öffentlichkeit muss davon überzeugt werden, dass man manche Spieler eben nicht verpflichten kann, weil man die Möglichkeiten nicht hat.

Aber wäre das nicht mal ein Zeichen, einen sogenannten Starspieler zu kaufen?

Natürlich kann man mal drüber nachdenken, solch einen Spieler verpflichten. Die Frage ist, ob das klug ist. Michael Frontzeck, Detlev Dammeier und ich sind derzeit der klaren Meinung, dass das nicht klug wäre, jemanden der herausragt, zu verpflichten. Unsere feste Überzeugung ist, dass wir nur eine Chance haben, wenn wir als Mannschaft funktionieren, und zwar von A bis Z. Wenn das nicht der Fall ist – wie zum Schluss der Hinserie der vergangenen Saison – dann geht’s schnell in die Hose. Ein harmonisches Mannschaftsgefüge ist das A und O, denn wir werden auf absehbare Zeit nicht die Spieler verpflichten können, die uns im Alleingang den Klassenerhalt bescheren, sprich: auch dann noch Spiele entscheiden können, wenn zwei Drittel des Teams leistungstechnisch einen schwarzen Tag erwischt.

Mit Chris Katongo kommt ein Spieler zu Arminia, der großes Potenzial hat, aber dennoch „nur“ 1.7 Mio Euro kostete. Man hat jedoch den Eindruck, dass der Markt explodiert, selbst unbekannte Spieler kosten heutzutage schon mal fünf bis zehn Millionen Euro. Wie lange wird es denn noch möglich sein, gute Spieler zu Arminias Konditionen zu bekommen?

Das muss ich ein bisschen korrigieren. Der Eindruck, den man bekommt, wird im Wesentlichen von wenigen Medien geprägt. Diese schreiben natürlich lieber über spektakuläre Transfers, als über das normale Tagesgeschäft in den Clubs. Es ist aber auffällig, dass es diese Saison tatsächlich viele Clubs gibt, die genau wie wir in einem ganz bescheidenen Rahmen auf dem Transfermarkt aktiv waren.

Dennoch steigen die Preise für junge, gute Spieler!

Man darf die Sicht nicht auf Deutschland beschränken, man muss das internationaler sehen. Beispiel Chris Katongo: Bröndby hat auf europäischer Ebene einen renommierteren Namen als Arminia Bielefeld, dennoch verdienen die Spieler in dem Verein weniger als bei uns und zudem ist die Bundesliga sportlich interessanter. Dadurch haben wir die Chance, gute Spieler zu verpflichten, die auch unseren finanziellen Verhältnissen entsprechen. Was man aber auch nicht vergessen darf: Wir investieren gerade wieder in unser Trainingszentrum. Zukünftig wird es so dann möglich sein, den Austausch zwischen Profi-, Amateur- und Jugendbereich noch besser zu verzahnen. Ich glaube nämlich, dass unser Jugendbereich ungeheures Potenzial hat und Chancen bietet, die uns nach vorn bringen können. Dies müssen wir nutzen.

Ganz persönlich aus Ihrer Warte: Welche der noch vorhandenen Baustellen möchten Sie als nächste in Angriff nehmen?

Wir werden dieses Jahr noch brauchen, um das Gesamtprojekt Stadion zum Abschluss zu bringen, Kleinigkeiten, die man außen gar nicht wahrnimmt, die aber gemacht werden müssen. Visionär und auf lange Sicht betrachtet müssen wir meiner Meinung nach das Potenzial zur Imagebesserung des Vereins, die die Erstliga-Zugehörigkeit birgt, unbedingt nutzen. Das A und O ist der sportliche Bereich – wenn’s da läuft, hat man es in Sachen Image leichter. Es ist nun mal aber auch so, dass wir über das Sportliche hinaus im Rahmen unserer Möglichkeiten an vielen Stellen versuchen, Arminia nach vorne zu bringen. In einer Analyse seitens Dritter wurde festgestellt, dass die Imagewerte des Clubs aber auch der Stadt verbesserungsfähig sind. Schlechte Imagewerte, gerade im Vergleich zu anderen, führen dazu, dass man schlechtere Aussichten auf Erlöse im Zusammenhang mit Sponsoren hat. Kurz: Sponsoren entscheiden sich häufig lieber für Mannschaften wie Hannover 96 oder Dortmund, wenn sie die Wahl zwischen uns und ihnen haben. Daran müssen wir arbeiten. Deshalb haben wir begonnen, das ganze erstmal von der Basis her zu reformieren, wir haben verschiedene Ideen entwickelt und einen Plan aufgestellt, was wir wie und wann strategisch angehen möchten. Dazu gehört auch die Markenbildung – ich weiß, dieser Begriff ist bei vielen Fans nicht beliebt, sie mögen es nicht, wenn von Fußball als Marke gesprochen wird, ich nutze ihn in diesem Zusammenhang trotzdem.

Die gute Nachricht also: Es gibt einen Plan!

Ja. Und dieser wird immer fortentwickelt.

Pläne zur Imageverbesserung im Allgemeinen und die Markenbildung im Speziellen sind ein gutes Stichwort: Der Logo-Relaunch des Vereins erfolgte zunächst ohne Rücksprache mit den Fans. Dies führte zu massiven Protesten. Hat die Geschäftsführung aus diesem Zwischenfall gelernt?

Die Kritik richtete sich aus meiner Sicht in erster Linie gegen die Neugestaltung des Logos, nicht gegen die Strategie an sich. Zwar ist das Logo nur ein kleiner Bestandteil dieser Strategie, dennoch steht fest: Wir haben die Bedeutung dieser Veränderung unterschätzt, das ist völlig klar und werden in Zukunft, wenn solche Prozesse anstehen, sicherlich im Vorfeld informieren und ein Feedback einholen. Es hat sich ja in diesem Zusammenhang eine Fan-AG gegründet, die sich aus ASC, Dachverband, Fanprojekt etc. zusammensetzt. Auch achten wir natürlich auf die Meinung der Fans und versuchen bei mehrheitsfähigen Kritikpunkten eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden. Gleichwohl ist es so, dass es im Rahmen des Tagesgeschäfts an vielen Stellen gar nicht möglich ist, jedes Mal alle bei Entscheidungsfindung einzubeziehen. Bei größeren Veränderungen werden wir uns aber in angemessenen Runden zusammensetzen und ich finde den Weg, den wir mit der Fan AG gefunden haben, gut.

In unserer letzten Ausgabe interviewten wir Vertreter der „Kritischen Arminen“. Diese kritisieren Sie wegen Ihrer Doppelfunktion. Die Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen Ihrer Doppelfunktion als Schatzmeister der e.V. und Geschäftsführer der KGaA wurde bei der JHV als Übergangslösung gerechtfertigt. Sie müssen zugeben, dass solch eine Kombination von Ämtern gerade Skeptikern schnell die Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Wann wird dieser Übergang abgeschlossen sein?

Es ist tatsächlich in der breiten Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass die Doppelfunktion ursprünglich als Übergangslösung gedacht war. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, wir haben in Zusammenhang mit der Ausgliederung – ein Prozess der über einen langen Zeitraum mit einer großen Anzahl Menschen diskutiert und unter anderem aufgrund von sinnvollen steuerlichen Überlegungen angestoßen wurde; tiefer einzusteigen ginge zu weit, da gibt es Dissertationen drüber – dieses Problem erkannt und das Für und Wider gegeneinander abgewogen. Im Übrigen ist das „Problem“ der Doppelfunktion nicht arminia-exklusiv. Denken Sie einmal an das Konstrukt DFB/DFL, vergleichbar mit der KGaA und dem e.V. bei Arminia. Was meinen Sie, wie viele überschneidende Elemente es dort gibt? So ist die Geschäftsführung der DFL nicht nur Mitglied des Vorstandes des Ligaverbandes, sondern gleichzeitig auch im Vorstand des DFB vertreten. Dieses sogenannte Problem ist nichts Außergewöhnliches. Ferner bin ich nicht die einzige Person mit einer Doppelfunktion bei uns. Wenn auch vielleicht die exponierteste. Denn wir haben ganz bewusst damals folgendes entschieden: Dass es bei der Struktur und Ausrichtung des DSC Arminia Bielefeld äußerst sinnvoll ist, wenn es in jedem Gremium eine Person gibt, die eine Doppelfunktion hat. So gibt es also bei uns Menschen, die im Aufsichtsrat vertreten sind und gleichzeitig im Ehrenrat. Es gibt eine Person – das bin ich, es könnte aber auch theoretisch Herr Dammeier sein – die im Vorstand der e.V. und in der Geschäftsführung der KGaA sitzt. Es gibt jemanden, der im Verwaltungsrat eine Funktion hat und gleichzeitig an den Aufsichtsratsitzungen teilnimmt. Der Hintergrund: Wir wollen, dass es immer einen Menschen gibt, der in dem anderen Gremium ganz authentisch berichten kann, damit die Meinungsbildung in diesem Gremium aus erster Hand und nicht aufgrund von Dritten befördert wird. Und ich glaube, dass die Entwicklung der vergangenen Jahre bei Arminia Bielefeld so schlecht nicht war. Gerade in schwierigen Situationen hat sich gezeigt, dass das, was wir uns bei diesem Organisationsprinzip gedacht haben, nicht ganz falsch war, sogar Vorteile hat, Vorteile, die wir 2001, als wir den Weg einschlugen, erkannt haben. Im Übrigen Vorteile, die einem Wortführer der „Kritischen Arminen“ bekannt sein müssten, saß er doch damals mit im Delegiertenausschuss.

Der Informationsaustausch ist sicherlich ein Aspekt. Aber was sagen Sie zum Vorwurf der Ämterhäufung, zum Vorwurf der sich bietenden Machtfülle?

Sie meinen den Vorwurf, dass ich mich selbst kontrolliere? Ich will ergänzen, was – teilweise nicht gutwillig – vergessen wird: Es wird über die Organisationsstruktur immer falsch berichtet, vielleicht, weil die Struktur nicht richtig verstanden wurde, was sicherlich auch ihrer Komplexität geschuldet ist. Aber man tut so, als wenn der Aufsichtsrat per se das Kontrollgremium für alle Funktionen wäre, und dass ich mir aufgrund der Tatsache, dass ich im Vorstand sitze und zum Teil den Aufsichtsrat mitbestimme meine eigenen Kontrolleure aussuchen kann. Man behauptet also, dass es in der ganzen Struktur kein basisdemokratisches Element gibt, dass das verhindert. Und deshalb sage ich in Richtung der „Kritischen Arminen“, die sehr satzungsbewandert sind, dass diese genau wissen, dass ihre Kritik ins Leere geht. Denn es gibt ein Gremium, das den Vorstand kontrolliert, und das ist der Verwaltungsrat. Dieser Rat ist bei Arminia ein sehr wichtiges Element und mindestens genauso wichtig wie der Aufsichtsrat nach Aktienrecht für die KGaA. Ich wiederhole: Der Verwaltungsrat – in dem ich nicht sitze – kontrolliert den Vorstand, der kontrolliert den Verein. Und der Verein ist Eigentümer des Stadions, Eigentümer sämtlicher Baulichkeiten am Trainingsgelände. Und dieses Kontrollgremium wird bei Arminia ganz basisdemokratisch gewählt, von den Mitgliedern auf einer Mitgliederversammlung, und nicht etwa weil ich in einer Doppelfunktion diese Menschen ausgesucht hätte. Und ich frage mich, warum die Hauptkritiker rund um die „Kritischen Arminen“ genau diese Details außen vor lassen. Die waren damals 2001 bei den Diskussionen doch dabei, die müssten es besser wissen. Da könnte man fast auf die Idee kommen, dass da böse Absicht hinter steckt, wenn man unterstellt, dass diese Kritiker satzungsfest sind.

Bei aller Transparenz würden dennoch viele eine klare Trennung der Funktionen  begrüßen.

Die Meinung kann man ja haben. Aber dann muss man sich Folgendes vor Augen führen: Es nutzt ja nichts, diese Trennung auf eine Person, in diesem Fall meine, zu fokussieren. Wenn man also feststellt, dass nur ich diese Doppelfunktion nicht haben darf, dann greift das zu kurz. Dann müssen wir über das Gesamtorganisationsprinzip dieses Vereins sprechen und ihn komplett von der Kapitalgesellschaft trennen. Verein und KGaA gehörten dann nur noch indirekt zusammen. Darüber hinaus müssten wir Funktionen aufteilen, die im Sinne einer Gesamteffizienz derzeit in meiner Person vereint sind. Im Übrigen müssen dann auch andere Funktionsträger ihre Rolle eindeutiger definieren und leben. Das kann man machen, da habe ich noch nicht mal ein Problem mit, wenn die Mehrheit dieses so möchte. Aber wenn man mich fragt, ob das die richtige Entscheidung für Arminia Bielefeld wäre, dann würde ich nein sagen. Und das hat mit meiner Person erstmal gar nichts zu tun. Man muss sich nämlich einfach mal die Konsequenzen vor Augen führen, nehmen wir beispielsweise die Mitgliederversammlung: Da müsste dann keine Mannschaft mehr auftreten, kein Herr Dammeier, kein Herr Kentsch, weil der Verein dann damit überhaupt nichts mehr zu tun hätte. Nichts! Es gäbe keinen Bericht der KGaA und andersherum, die Mannschaft hätte sich vor den Mitgliedern nicht mehr zu rechtfertigen. Und dann wäre die Trennung perfekt. Aber die Fans wollen, dass die Mannschaft auftritt. Die Fans wollen, dass ein Dammeier auftritt. Nur mit Kentsch haben sie ein Problem, weil das angeblich so ein mächtiger Mann ist? Das kann’s nicht sein. Also, entweder trenne ich, aber dann komplett. Und wenn das wirklich Mehrheitswille ist, dann unterstütze ich das. Nichtsdestotrotz wäre es in meinen Augen falsch, ich bin überzeugt, dass der eingeschlagene Weg der richtige für Arminia ist. Und ich wiederhole, dass es nie als Übergangslösung gedacht war.

Nehmen wir an, Ihre Kritiker stellen die Tatsachen wirklich bewusst falsch dar. Was möchten Sie ihnen sagen?

Wissen Sie, ich kann die Kritik vom Grundsatz her im gerade beschriebenen Sinne nachvollziehen. Ich wünsche mir aber einfach mehr Fairness, dass man zum Beispiel bei der Kritik an meiner Person bezüglich der unterstellten Machtfülle bedenkt, dass ich in meiner Tätigkeit stets einer Kontrolle unterliege. Was die Vereinsbelange betrifft, sehr scharf – das kann ich Ihnen versichern – seitens des Verwaltungsrats, und was die Kapitalgesellschaft betrifft, seitens des Aufsichtsrats. Und das sind mit Sicherheit nicht Menschen, die sich von mir dominieren lassen! Die gehen ihren eigenen Weg, die wissen genau, wie man eine Bilanz zu lesen hat, denen kann man kein X für’n U vor machen. Und darüber bin ich sehr froh und dankbar.

Wir müssen nachhaken: Was hätten Ihre Kritiker davon, Ihnen via der Medien  bewusst zu schädigen?

Es ist normal, dass man in einer solch exponierten Stellung, gerade, wenn man über viele Jahre in einem Amt ist, oft und heftig in der Kritik steht. Man kann diesen Job nicht machen, ohne auch Kritiker zu haben, dafür gehört es viel zu oft zu diesem Job dazu, auch mal nein zu sagen, Positionen zu beziehen, von denen man weiß, dass sie draußen nicht gern gehört werden. Allerdings habe ich mit Kritik dann ein Problem, wenn die Vortragenden anfangen, mich auf eine nicht ganz faire Art und Weise mit einem meiner Vorgänger zu identifizieren. Mit solch einer Kritik setze ich mich dann auch nicht mehr gern auseinander, weil ich weiß, dass sie unsachlich ist. Mehr möchte ich dann dieser Stelle dazu nicht mehr sagen.

Sie haben mit Recht bemängelt, dass der „Arminia Supporter“ Sie in der letzten Ausgabe nicht mit den „Kritischen Arminen“ an einen Tisch zusammengebracht hat.  Wären Sie bereit, sich noch mal mit ihnen zusammenzusetzen? Ist die Tür noch offen?

Ich bin jederzeit bereit, mich mit Menschen auseinanderzusetzen, die berechtigte und konstruktive Kritik äußern möchten. Das gehört zu meinem Tages-geschäft dazu. Da auch die Medien viel zum Missverständnis beider Parteien beitragen, ist es meine Meinung, dass fast immer nach einem persönlichen Meinungsaustausch das Verständnis für die Position des anderen gewachsen ist.

Kommen wir abschließend zu fußballpolitischen Themen. Es gibt Überlegungen, die 50+1-Regelung, die gewährleistet, dass die Kontrolle der Vereine in den Händen der Vereine bleibt, zu kippen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Da beziehe ich eine klare Position: Der Verein gehört den Mitgliedern. Für wen arbeiten wir? Für die Mitglieder! Wir sind eine hochsolidarische, genossenschaftlich organisierte Veranstaltung. Der Verein gehört uns allen. Und ich glaube, dass ein Sportunternehmen zumindest in Deutschland nie an die Börse gehört. Denn das Ziel der Börse ist nachhaltige Gewinnerzielung und man wird ein Sportunternehmen nie so organisieren können, dass es planbar nachhaltige und hohe Rendite abwirft, dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten. 50+1 bedeutet ja, dass die „goldene Aktie“ immer beim Verein bleibt und der Verein so Entscheider über sein eigenes Wohl und Wehe bleibt. Ich bin überzeugt, dass diese Regelung richtig ist. Kommt es aber irgendwann vor ein ordentliches Gericht, um 50+1 zu kippen, und entscheidet das Gericht dergestalt, dann hätte dieses Urteil eine Qualität wie einst Bosmann. Das Urteil würde den Sport in Deutschland verändern und eine Entwicklung einleiten, die unsere Fans überhaupt nicht gut fänden.

Und wie fände das Roland Kentsch?

Überhaupt nicht gut. Ich glaube, dass es so gut ist wie es ist.

Der Fan wird von kommerziellen Interessen immer weiter zurückgedrängt. Im Umfeld kursieren Geschichten über inoffizielle Empfehlungen der DFL, die Gründung von organisierten Fanclubs oder Fanabteilungen (wie der ASC einer ist) zu verhindern, da diese mit der Zeit bei der Mitsprache zu viel Einfluss bekommen. Wie stehen Sie zum Arminia Supporters Club und konstruktiv kritischen Fans?

Es hat ja einst lange interne Überlegungen gegeben, ob wir in Kopie des Hamburger Supporters Clubs etwas Ähnliches gründen sollen. Da bin ich derjenige gewesen, der sich dafür sehr stark gemacht hat. Und ich kann Ihnen versichern, dass diese Entscheidung nicht bei allen im Verein sehr populär war. Gleichwohl hat der Vorstand damals diese Gründung für richtig befunden und am Ende auch durchgesetzt. Und daraus können Sie schließen, dass ich sehr froh bin, dass wir den ASC haben. Allerdings ist mein Rat an kritische Fan-Gruppierungen, sich konstruktiv einzubringen, aber nicht zu unsachlich fordernd zu sein. Denn am Ende des Tages haben nicht sie die Entscheidungen zu verantworten, sondern andere. Deshalb glaube ich, dass wir alle von einem Miteinander mehr haben. Einfluss nehmen, ja, aber bitte auch die Spielregeln beachten. Warum hat sich zum Beispiel keiner der Kritiker bei der Wahl als Gegenkandidat aufstellen lassen? Das ist das gute Recht jedes Mitglieds.

Es war für den Verein insgesamt eine sehr unruhige Saison. Was ist Ihr Ausblick auf die neue Saison? Wo stehen wir im Mai?

Ich wünsche mir insgesamt eine sportlich ruhigere Saison, es wäre schön, wenn wir entspannter arbeiten könnten, schließlich bedeutet jede Niederlage eine sich anschließende bedrückende Arbeitswoche. Gleichzeitig appelliere ich aber auch an die öffentliche Wahrnehmung, egal ob Medien oder Fans, Arminias Verdienste anzuerkennen. Auf dem Papier spielen wir seit Jahren über unseren Möglichkeiten.  Wir spielen aber gut mit im Konzert der Großen, deshalb: allein schon die Tatsache, am Ende der Saison über dem Strich landen zu können ist ein großer Erfolg für diesen Club. Das mögen einige vielleicht nicht hören, sie sagen, wir müssen uns weiterentwickeln. Ich würde mir das natürlich auch wünschen, dass man schon drei oder vier Tage vor Schluss gerettet ist. Aber es wird auch in dieser Saison wieder Phasen geben, in denen es hektisch und kritisch wird. Ich glaube aber, dass wir eine Mannschaft haben, die den Klassenerhalt schaffen wird, mit Detlev Dammeier und Michael Frontzeck eine homogene sportliche Einheit haben, die mich positiv in die Zukunft blicken lässt. Und deshalb mein Appell an die Fans: Unterstützt die Mannschaft weiter bedingungslos in allen Situationen. Wir haben eine super Truppe.

Sie fühlen sich wohl?

Ja.

Selbst Ihr größter Kritiker muss anerkennen, dass kaum jemand so viel für Arminia getan hat wie Sie. Wie wird Ihre Biographie heißen?

Ich würde nie von mir behaupten, derjenige zu sein, der alleine für Arminias Wohlergehen alles gibt. Wir sind nur im Team erfolgreich und daher auch noch einmal im Gesamtvorstand zur Wahl angetreten.

Als Abschluss unsere Standardfrage: Sind Sie Mitglied im Arminia Supporters Club?

(lacht) Nein, den gab es ja noch nicht, als ich Mitglied wurde.

Wir danken Roland Kentsch an dieser Stelle für das offene Gespräch! Die Reihe „Auf ein Wort“ wird bereits im nächsten Heft unseres Magazines „Arminia Supporter“ fortgesetzt, diesesmal mit einem ebenfalls sehr interessanten Gesprächspartner…lasst Euch überraschen.

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