Aus insgesamt 29 europÀischen LÀndern kamen mehr als 350 Fanvertreter zusammen, um gemeinsam eine starke Fanvertretung auf europÀischer Ebene ins Leben zu rufen.
Diese soll international alle fanrelevanten Themen insbesondere gegenĂŒber der UEFA vertreten, Lösungsstrategien fĂŒr Problemfelder erarbeiten und regionalen sowie nationalen Fanorganisationen Hilfestellung im Aufbau und der tĂ€glichen Arbeit anbieten.
Der Kongress selbst (Samstag) war dabei fĂŒr alle interessierten Fanvertreter offen und sollte die eigentlichen Problemfelder analysieren. Zur Mitgliederversammlung am Sonntag hatten hingegen nur Einzelmitglieder oder Vertreter von regionalen bzw. nationalen Organisationen Zutritt, die ihrerseits Mitglied der FSE â zu Beginn der Versammlung noch FSI â waren.
Freitag, 17. Juli
Ein erstes Kennenlernen der Kongressteilnehmer war bereits am Freitag abend möglich. An diesem wurde sowohl eine StadionfĂŒhrung âMillerntorâ als auch ein gemeinsamer Abend in direkter NĂ€he angeboten. Beides wurde von den bereits angereisten Fanvertretern gut angenommen und gewĂ€hrte erste Einblicke in die tĂ€glichen Probleme, denen sich FuĂballfans in den verschiedenen LĂ€ndern ausgesetzt sehen. Besonders das Thema âMitbestimmungâ wurde intensiv diskutiert, andererseits waren auch die Integration und Förderung von Minderheiten im FuĂballumfeld zentrale Themen. Beiden sollte in den folgenden Tagen groĂer Raum gegeben werden, um Konzepte zur Verbesserung zusammenzutragen.
Samstag, 18. Juli
Der Samstag begann fĂŒr alle Teilnehmer bereits um 9 Uhr in den RĂ€umlichkeiten des Volksparkstadions mit der Registrierung, bevor im Plenum durch 2 Redner auf die schwierige Situation eingestimmt wurde. Insbesondere durch die sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen, Strukturen und rechtlichen Grundlagen ist es fĂŒr eine lĂ€nderĂŒbergreifende Institution sehr schwierig, fĂŒr alle Mitglieder tragbare und sinnvolle Zielformulierungen zu finden. So sind in Schweden und Deutschland in erster Linie Vereine am Spielbetrieb beteiligt und die Fanorganisationen sehr am Erhalt von 50+1 interessiert, wĂ€hrend in England und Spanien vielmehr versucht wird, durch AnteilskĂ€ufe in Kapitalgesellschaften Mitbestimmungsrechte zu erlangen, da die 50+1-Frage lĂ€ngst ĂŒberholt ist.
Einfacher strukturiert ist die Integration von Minderheiten. Zwar ist die Gruppe der FuĂballfans von auĂen betrachtet schon eine Minderheit in sich, trotzdem gibt es darin weitere, deren Rechte und Einbindung in Hamburg ĂŒberproportional stark vertreten wurden. Antidiskriminierung, barrierefreier Zugang fĂŒr Behinderte, BerĂŒcksichtigung unterschiedlicher Behinderungen und BekĂ€mpfung der Homophobie waren nur einige der Ziele, denen sich viele national eingestufte Organisationen verpflichtet sahen.
FĂŒr diese und weitere Themenkomplexe galt es konsenzfĂ€hige Ziele und Positionierungen zu formulieren, welche ihrerseits zukĂŒnftig die Richtung von FSE bestimmen sollen.
Die diffizilen Anforderungen an eine gemeinsame Interessenvertretung wurden in den folgenden Workshops immer wieder deutlich. Fast allen Teilnehmern war das gemeinsame Ziel dabei wichtiger als die RivalitĂ€ten aus dem Ligaalltag, sodass der Samstag fĂŒr die FSE als durchaus erfolgreicher Kongresstag gewertet werden kann.
Vormittags tagten fĂŒnf Workshops zu den Themen Netzwerkarbeit, fanrelevante Gesetzgebung, Rechte behinderter Fans, Anstosszeiten und Vereinslizenzierung.
Der ASC beteiligte sich an der Findung von Zielen im Bereich der europĂ€ischen Lizenzierung. Konsens herrschte unter allen Teilnehmern dieses Workshops, dass die Bedingungen zur Zulassung von Vereinen zu europĂ€ischen Wettbewerben transparenter dargestellt werden sollten und in einigen Bereichen die Anforderungen gesteigert werden mĂŒssten. Insbesondere die finanziellen und strukturellen Anforderungen wurden als zu gering bewertet â die EinfĂŒhrung eines Fanbeauftragten sowie einer reellen, selbstverantworteten Finanzgrundlage stellten wichtige Forderungen dar.
Alex Philipps (UEFA) und Pedro Velazquez (europÀische Kommission) stellten sich interessiert den Fragen und Anregungen der Fanvertreter, notierten sich die aufgestellten Forderungen und betonten, dass ihnen an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Fans sehr viel gelegen ist. Der in Hamburg begonnene Dialog zur europaweiten Lizenzierung soll noch in diesem Jahr fortgesetzt werden.
Nach der etwas verspÀteten Mittagspause wurde in den verbleibenden Stunden in den Workshops Kampagnenarbeit, Praxismodelle positiven Polizeiverhaltens, Einbindung von Minderheiten, Pyrotechnik und Fanmitbestimmung diskutiert.
Da der ASC bereits in Karlsruhe in die Erarbeitung besserer nationaler Polizeistrategien involviert war, brachte er nun einige der dort vorgestellten bzw. entwickelten Konzepte in die Zielformulierungen der FSE ein – unter anderem das Hannoveraner Modell mit vermittelnden Konfliktmanagern der Polizei oder Einbeziehung von Fanvertretern in die Sicherheitsvorbesprechung bzw. die Etablierung von Sicherheitsbesprechungen in den LĂ€ndern, in denen dies bisher nicht zur ĂŒblichen Spielvorbereitung zĂ€hlt.
DarĂŒber hinaus wurde sehr kontrovers diskutiert, ob eine verstĂ€rkte Videographie der von Polizei begleiteten Fangruppen (wie in Belgien) vor Polizeigewalt schĂŒtzen kann und ob man dies als FSE unterstĂŒtzen solle. Eine abschlieĂende Meinung konnte hierzu bisher nicht gefunden werden, allerdings sollen alle von Fans in ihren LĂ€ndern als positiv empfundenen Strategien zusammengetragen und öffentlich zugĂ€nglich gemacht werden.
Weitere Ergebnisse zu den Workshops sind unten auf dieser Seite zum Download bereitgestellt.
Darin fĂ€llt auf, dass die Ergebnisse sehr unterschiedlich spezifiziert sind. Dies liegt in vielen FĂ€llen in der Ursache begrĂŒndet, dass es mitunter sehr schwer war, von den Berichten aus den LĂ€ndern zu konkreten Forderungen und Zielformulierungen zu finden. Insbesondere in Workshops, die von vielen Teilnehmern aus sehr unterschiedlich strukturierten LĂ€ndern besucht wurden, wird es weiterer Ausarbeitungen der Arbeitsgruppen bedĂŒrfen, um der FSE eine klare Ausrichtung zu geben.
Sonntag, 19. Juli
Der Tag der Mitgliederversammlung begann fĂŒr die Organisatoren mit der Suche nach Mitgliedsunterlagen der sich anmeldenden Teilnehmer, die leider nicht in allen FĂ€llen gefunden werden konnten. Alle anderen bekamen ihre namentlich gekennzeichneten Wahlunterlagen, dazu eine Mappe mit Finanz- und AktivitĂ€tsbericht sowie den beantragten SatzungsĂ€nderungen. Insgesamt hatte die FSE am 19.7. folgende Mitgliederstruktur:
158 Mitglieder aus 22 LĂ€ndern, davon
24 nationale Mitglieder aus 12 LĂ€ndern, hiervon sind 13 mit demokratischer Struktur
und Mitgliedschaft aufgebaut,
42 lokale Mitglieder 12 LĂ€ndern,
92 Einzelmitglieder aus 14 LĂ€ndern
Allerdings konnten nicht alle Mitglieder am Sonntag teilnehmen, wodurch eine Gesamtstimmenzahl von 395 zu Buche stand. Diese setzte sich aus 22 nationalen, 35 lokalen und 70 Einzelstimmen zusammen.
Nach BegrĂŒĂung, Vorstellung der Tagesordnung, des Ăbergangskomitees, das im vergangenen Jahr in London gewĂ€hlt wurde und der Organisationsstrukturen folgte die Vorstellung des Finanz- und AktivitĂ€tsberichts durch Daniela Wurbs. Daniela ist eine von vier festen Komiteemitgliedern, darĂŒber hinaus die einzige hauptamtliche Kraft innerhalb dieses Gremiums. Sie war federfĂŒhrend in den Vorbereitungen fĂŒr Kongress und FSE- GrĂŒndung eingebunden.
Finanzbericht: Eine ausfĂŒhrliche Auflistung der Einnahmen und Ausgaben des Berichtzeitraums, lag jedem Mitglied ausgedruckt vor. Diese wurde von Daniela vorgestellt und erlĂ€utert. Auf Nachfrage stellte sie nochmals klar, dass die UEFA zwar der Hauptgeldgeber sei, die FSE jedoch trotzdem eigenstĂ€ndig und unabhĂ€ngig gefĂŒhrt werden könne. Der UEFA sei ein Ansprechpartner in Fanfragen wichtig und unterstĂŒtze die GrĂŒndung einer europĂ€ischen Fanvertretung aus diesem Grund. Anfang diesen Jahres hatte die UEFA ihre Spende von 64.192,17 âŹ ĂŒberwiesen, dazu kamen 155 ⏠Einnahmen aus Spenden der Mitglieder. Die Ausgaben verteilten sich im Wesentlichen auf Personalkosten, Anreisekostenerstattung und die Kosten rund um den EFFC. Das Guthaben betrĂ€gt am 22. Juni 2009 17.506,10 âŹ.
AktivitĂ€tsbericht: Ebenso wie der Finanzbericht lag der AktivitĂ€tsbericht in ausgedruckter Form vor, Daniela berichtete zu den einzelnen Stichpunkten und erklĂ€rte HintergrĂŒnde der AktivitĂ€ten. Der Bericht selbst ist unten einzusehen. Als Fazit blieb hier festzuhalten, dass es im Kern um vorbereitende Arbeiten ging, die eine GrĂŒndung und darauffolgendes effektives Arbeiten ermöglichen sollen. Die inhaltliche Arbeit werde im Anschluss an die Mitgliederversammlung beginnen, wenn die Workshopergebnisse durch das neu gewĂ€hlte Komitee bzw. eingerichtete, zuarbeitende Arbeitsgruppen auf europĂ€ischer Ebene ausformuliert und vertreten werden.
Im Anschluss an die Berichte folgte ein gutes Beispiel fĂŒr die Schwierigkeiten, die das deutsche Vereinsrecht einer europĂ€isch angelegten Organisation bereitet. WĂ€hrend laut Tagesordnung die Entlastung des Ăbergangskomitees vorgesehen war, wurde darĂŒber abgestimmt, dass alle Mitglieder mit Finanz- und AktivitĂ€tsbericht einverstanden sind. Als zweite Abstimmung folgte die Frage, ob die Mitglieder der Ansicht seien, dass die Versammlung bis zu diesem Zeitpunkt entsprechend der Satzung verlaufen sei. Beides wurde von den Anwesenden positiv beschieden, wenngleich es laut Tagesordnung anderslautende Fragestellungen hĂ€tte geben sollen.
Eine Entlastung hatte somit faktisch nicht stattgefunden, obwohl dies offenkundig vorgesehen war.
Im weiteren Verlauf des Vormittags wurde ĂŒber SatzungsĂ€nderungen diskutiert und entschieden, welche ebenfalls im Anhang einzusehen sind. Abgesehen von wenigen Rechtschreibfehlern wurden die beantragten Ănderungen wie abgedruckt angenommen. In diesem Zusammenhang wurde auch die offizielle Umbenennung von FSI in FSE vorgenommen, wenngleich die eigentliche GrĂŒndung der FSE bereits mit der Eintragung ins Vereinsregister stattgefunden hatte.
Innerhalb der neuen Satzung sind besonders die steuerrechtlichen Paragraphen bereits sehr gut ausformuliert, dahingegen bestehen zum Beispiel bezĂŒglich des Wahlrechts nach wie vor verbesserungswĂŒrdige Passagen. Diese auszuformulieren wird eine zentrale Aufgabe des FSE- Komitees in den kommenden 12 Monaten darstellen, worauf bereits wĂ€hrend der Diskussionen rund um die SatzungsĂ€nderungen hingewiesen wurde.
Nach der Mittagspause stand als letzter Tagesordnungspunkt die Wahl des neuen FSE- Komitees an. Leider konnten an dieser nicht mehr alle morgens erschienenen Mitglieder bzw. Delegierte persönlich teilnehmen, da einige ihre ZĂŒge oder FlĂŒge erreichen mussten. In der Wahl setzten sich folgende Kandidaten durch:
Kevin Miles, Football Supporters Federation, England (345 Stimmen)
Dave Boyle, Supporters Direct, England (281)
Christina Magnussen, Norsk Supporterallianse, Norwegen (261)
Emilio Abejon, FASFE, Spanien (253)
Michal Riecansky, The Stands are Ours!, Slowakei (249)
Shay Golub, Israfans, Israel (236)
Dirk Vos, Supportersfederatie Profclubs, Belgien (218)
Tam Ferry, Association of Tartan Army Clubs, Schottland (204)
Von den vier festen Komiteemitglieder stehen darĂŒber hinaus bereits fest:
Antonia Hagemann, Supporters Direct, England
Joyce Cook, National Association of Disabled Supporters, Wales
Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang, ob das Wahlprozedere, welches allein die geographische Reichweite einer Organisation nicht aber die durch sie vertretene Mitgliederzahl berĂŒcksichtigt, die optimale Lösung darstellt. Der ASC mit 4.700 Mitgliedern hatte beispielsweise ebenso viele Stimmen (3) wie ein anwesender Fanclub, welcher 25 Mitglieder vertrat. Unterteilt wird mindestens noch bei der Wahl im kommenden Jahr lediglich nach Einzelmitgliedschaften (1 Stimme), Mitgliedschaft einer lokalen (3) oder national aktiven Organisation (10). Da wir diese Kategorisierung fĂŒr suboptimal halten, werden auch wir VerbesserungsvorschlĂ€ge fĂŒr die Mitgliederversammlung im Jahr 2010 einbringen.
Bis dahin sollen die Ergebnisse aus den Workshops durch das neue Komitee weiter vorangebracht und auf europĂ€ischer Ebene gegenĂŒber den entscheidungsbefugten Gremien sowie gegenĂŒber der Politik vertreten werden. DarĂŒber hinaus soll die innere Struktur der FSE durch die Installation von Arbeitsgruppen und themenbezogenen Fachbereichen weiter ausgebaut werden.
Diese hohen Ziele können selbstverstÀndlich nur erreicht werden, wenn alle Vertreter und Organisationen gemeinsam, weitgehend unabhÀngig ihrer persönlichen RivalitÀten, an der Realisierung der einzelnen Projekte arbeiten. Das Wahlergebnis lÀsst erahnen, dass es nicht allen Anwesenden um die effektivste und reprÀsentativste Zusammensetzung der FSE- Kommission ging. Nichtsdestotrotz ist dies das Ergebnis einer demokratischen Wahl aller am Sonntag anwesenden Mitglieder, die wir respektieren.
Nichts ist wichtiger als die basisdemokratische Entscheidungsfindung innerhalb der Organisationen und das Mitbestimmungsrecht jedes Einzelnen zur Zusammensetzung der interessenvertretenden Gremien. Diesen Grundsatz vertreten wir in Bielefeld ebenso wie in Deutschland und Europa. Somit bleibt fĂŒr den ASC die Erkenntnis, dass es fĂŒr die Mehrheit der anwesenden FSE- Mitglieder höherrangige Ziele als Fanmitbestimmung und Verbesserung der Rahmenbedingungen fĂŒr alle FuĂballfans in Europa gibt, was absolut legitim und kein Widerspruch zur grundsĂ€tzlichen Sinnhaftigkeit der FSE ist.
Als ASC werden wir innerhalb von Unsere Kurve die weitere Entwicklung der FSE konstruktiv begleiten und dazu beitragen, anderen Fanorganisationen Hilfestellung zum Aufbau einflussreicher Fanstrukturen zu leisten. Auf diesem Weg sollte in den kommenden Jahren auch in anderen LĂ€ndern das Interesse an der Beteiligung an wesentlichen Entscheidungsprozessen der ĂŒbergeordneten Gremien steigen.