Ambivalentes Urteil zum Thema „Stadionverbote auf Verdacht“

Leider traf die Interpretation der Journalisten hierbei nicht immer den tatsächlichen Inhalt der richterlichen Entscheidung, oftmals wurde das Urteil sogar unzutreffend als Verschärfung gegenüber der bisherigen Praxis oder Erleichterung der Stadionverbotsvergabe dargestellt.

Die Möglichkeit einer solchen Verschärfung ergibt sich aus dem Richterspruch aber nicht.

Zwar liegt der endgültige Urteilstext erst in ein paar Wochen vor, aus der sehr umfangreichen Pressemitteilung des BGH können aber schon jetzt erste Schlussfolgerungen gezogen werden:

1. Der BGH hat zunächst bestätigt, dass die rein willkürliche Vergabe von Stadionverboten rechtswidrig ist: Zwar dürfen die Vereine ihr Hausrecht relativ frei ausüben, die Grundrechte der betroffenen Stadiongänger dürfen hierbei jedoch nicht verletzt werden. Es muss für das Stadionverbot immer ein sachlicher Grund vorliegen.

2. Die Stadionverbotsrichtlinie des DFB wird vom BGH insgesamt als geeignete und rechtmäßige Grundlage für die Vergabe von Stadionverboten bewertet. Das Gericht ging hierbei natürlich davon aus, dass die Vereine auch sämtliche Regelungen in der Stadionverbotsrichtlinie tatsächlich nutzen:

– So stellte der BGH heraus, dass es für die Vergabe von Stadionverboten und deren Dauer auf die objektiv feststellbaren Details zum Tatablauf und der Beteiligung des betroffenen Fans (Umfang und Schwere des Vergehens etc.), ankommt, und nicht nur auf die reine Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

In der Praxis ist dies leider nicht immer der Fall. Einige Vereine handelten in der Vergangenheit anhand von Automatismen, nach denen stets die maximal mögliche Stadionverbotsdauer verhängt wurde (z.B. „Landfriedensbruch führt immer zu einem dreijährigen Stadionverbot“).

Das Urteil des BGH bestätigt nun, dass diese Praxis der Vereine rechtswidrig ist.

– Wird das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft wegen mangelnden öffentlichen Interesses und höchstens geringer Schuld des Beschuldigten nach § 153 StPO eingestellt, so gilt die Schuld nicht als erwiesen.

Die Stadionverbotsrichtlinie sieht vor, dass der Verein in solchen Fällen auf Antrag des Betroffenen überprüfen soll, ob das Stadionverbot aufgehoben oder zumindest die Dauer reduziert wird.

Bei dieser Überprüfung, so stellt der BGH in seiner Entscheidung fest, darf der Verein sich ebenfalls nicht auf die reine Einleitung des Ermittlungsverfahrens berufen. Vielmehr müsse dann anhand der feststellbaren Tatsachen auf den Einzelfall bezogen entschieden werden, ob trotz der nicht bewiesenen Schuld weiterhin von einer zukünftigen Gefährlichkeit des Betroffenen ausgegangen werden kann.

In dem konkreten Fall, den der BGH nun zu entscheiden hatte, wurde dies bejaht: Das Ermittlungsverfahren gegen den betroffenen Bayern-Fan wurde zwar nach § 153 StPO eingestellt, es liegt damit keine nachgewiesene Straftat vor, er habe aber zu einer potentiell gewaltbereiten Gruppe gehört. Es sei daher die Annahme des MSV Duisburg berechtigt gewesen, dass ggf. in der Zukunft Gewalttaten von ihm ausgehen könnten.

Wichtig ist jedoch, dass diese Entscheidung immer auf den Einzelfall bezogen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände getroffen werden muss. Das bedeutet für die Vereine sicherlich mehr Aufwand, ist aber angesichts des großen Eingriffs, den ein Stadionverbot für jeden Fan darstellt, mehr als nur begründet.

Sobald das Urteil des BGH als Gesamttext vorliegt, werden wir Euch an dieser Stelle über die weiteren Details informieren.

Interessant in diesem Zusammenhang ist zudem, dass der betroffene Bayernfan vor und während des Prozesses anwaltlich sowie finanziell vom Fanrechtefonds unterstützt wurde (www.fanrechtefonds.de). Derzeit wird vom Fonds überlegt, das Urteil erneut durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen, da mindestens die Pressemitteilung des BGH in Passagen kritisch zu bewertende Inhalte aufweist. Die Pressemitteilung des Fanrechtefonds steht unter diesem Artikel als Link zur Verfügung.

Um auch zukünftig Grundsatzurteile in fanrelevanten Fragen anstrengen zu können, ist der Fanrechtefonds jedoch auf Spenden angewiesen. Der ASC unterstützt ihn daher durch halbjährliche Zahlungen. Solltet Ihr ebenfalls ein Interesse an rechtlicher Klärung kritischer Fragen haben, habt Ihr jederzeit am ASC-Infostand in der SchücoArena oder über die Seite des Fanrechtefonds die Möglichkeit, zu spenden.

Solltet Ihr an weiteren Informationen zu Stadionverboten, Datenschutz, dem Fanrechtefonds oder den jeweiligen Hintergründen interessiert sein, wendet Euch kurz per Mail an fans@arminia-supporters.de oder das Fanprojekt Bielefeld (www.fanprojekt-bielefeld.de).

 

Pressemitteilung des Fanrechtefonds: http://www.fanrechtefonds.de/pages/news.html

 

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