Kongress „Feindbilder ins Abseits“

Um Ansätze für noch sichere Fußballspiele zu diskutieren und um Vorurteile abzubauen, fand am 12.01.11 in Frankfurt/Main der von DFB, DFL und GdP (Gewerkschaft der Polizei) gemeinsam veranstaltete Kongress „Feindbilder ins Abseits“ statt, zu dem auch Fanvertreter eingeladen waren.

Als ein zentrales Thema erwies sich schnell, wie die Belastung der Polizei durch fußballbezogene Einsätze verringert werden kann.

In seinem eingehenden Redebeitrag stellte der Vorsitzende der GdP, Bernhard Witthaut, die in den vergangenen Jahren deutlich gestiegene Belastung der Polizeibeamten dar: Der Personalabbau bei der Polizei werde fortgesetzt, was generell zu einer zeitlichen Überlastung der Polizisten führe. Gleichzeitig steige die Zahl von Großeinsätzen (Castor-Transporte, Demonstrationen, Großveranstaltungen).

In der Saison 2008/2009 habe die fußballbezogene Belastung etwa 1,5 Millionen Einsatzstunden betragen, neun Jahren zuvor seien vergleichsweise nur 0,9 Millionen Einsatzstunden erforderlich gewesen. Am Fußball zeige sich damit eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung hin zu einer steigenden Gewaltbereitschaft. Die Gewalt spiele sich seltener im direkten Umfeld des Stadions ab und verlagere sich zunehmend auf die Anreisewege, und hier speziell auf Züge und Bahnhöfe.

Um eine Entlastung der Polizei und eine Verbesserung der Sicherheit zu erreichen, forderte er unter anderem:

– Die Politik müsse die Zahl der Polizeibeamten erhöhen.
– Bei Problemspielen müssten Staatsanwälte im Stadion sein, um unmittelbar Haftbefehle erlassen zu können etc. Die Länder müssten entsprechende Kapazitäten in den Staatsanwaltschaften schaffen.
– Die Spielpläne sollen kurzfristig noch auf Wunsch der Polizei geändert werden können, wenn unvorhersehbare Situationen bzw. Terminkollisionen dies erforderlich machen – notfalls seien Spiele komplett abzusagen.
– Auswärtskarten sollen nur in Verbindung mit Sonderzugtickets verkauft werden, sodass Fans nicht mehr Regelzüge benutzen. Das Sonderzugangebot soll hierzu entsprechend erweitert werden.
– Im Stadion und in Zügen sollte ein Alkoholverbot herrschen, da die meisten Straftaten unter Alkoholeinfluss begangen werden würden.
– Die Fanbetreuung soll auch bei Vereinen in niedrigeren Ligen ausgebaut werden.

Die schon öfter in den Medien diskutierte Maßnahme, die Vereine an den Kosten der Polizeieinsätze zu beteiligen, wies er dagegen zurück: Angesichts leerer Staatskassen käme dieses Geld eh nicht der Polizei zu Gute. Ausserdem verstoße eine solche „Bundesliga-Sonderabgabe“ gegen das Gebot der Gleichbehandlung. Wenn, dann müssten alle Veranstaltungen (vom Schützenfest bis zum Sankt Martinsumzug) mit einer Abgabe belegt werden.

Den Schilderungen des GdP-Vorsitzenden setzte DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger entgegen, dass es in der Saison 2009/2010 bei den 1973 Spielen von der Bundesliga bis zur Regionalliga und im DFB-Pokal lediglich zu 13 Vorfällen gekommen sei, bei denen Gewalt gegen Personen erfasst wurden. Das entspräche 0,66 Prozent.

Er habe Verständnis für die Überlastung der Polizeibeamten, der Einfluss des Fußballs sei aber gering, zumal die überwältigende Mehrheit der Fans friedlich sei. Der Fußballsport bringe vielmehr Menschen aus unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kreisen zusammen, fördere so das friedliche Miteinander.

Polemische und plakative Aussagen seien überflüssig, würden die Gewalt-Prävention behindern und dienten nur der Interessenpolitik. Dr. Theo Zwanziger bezog sich damit erkennbar auf Rainer Wendt, den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft. Dieser hat sich und seiner im Vergleich zur GdP kleinen Gewerkschaft in den vergangenen Jahren durch populistische Äußerung („Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr“, Fanprojekte seien „Bastelstuben für Ultras“ etc.) stets viel mediale Aufmerksamkeit gesichert.

Zielführend sei es stattdessen, die Probleme in einem Dialog mit allen Beteiligten und damit auch mit den Fans anzugehen. Verbesserungen der Sicherheit  müssten hierbei stets pragmatisch und mit Augenmaß („Soviel Sicherheit wie nötig, bei so wenig Einschränkungen wie möglich“) gesucht werden. Der DFB setze auch weiterhin stark auf die positive Arbeit der Fanprojekte.

Den Eingangsstatements der Kongressorganisatoren schlossen sich mehrere interessante Kurzpräsentationen, die sich aus verschiedenen Perspektiven (u.a. Wissenschaft, Polizei, Fanprojekte, Fanbeauftragte, Ultras) jeweils um das grobe Thema „Verbesserung der Sicherheit“ drehten. Auch hier stellte sich deutlich heraus, dass dem Dialog zwischen den Betroffenen eine entscheidende Rolle zukommt.

In der abschließenden Podiumsdiskussion zwischen Holger Hieronymus, Gschäftsführer der DFL, Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des DFB, Bernhard
Witthaut, GdP-Bundesvorsitzender, Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte sowie Wilko Zicht, Bündnis aktiver Fußball-Fans, wurden die Themen des Tages behandelt.

Erwähnenswert ist die rege Diskussion, ob Polizeibeamte durch bestimmte Kennzeichnungen zukünftig eindeutig identifiziert werden können sollen. Bisher ist eine Aufklärung von Fehlverhalten von Polizisten leider nur begrenzt möglich. Die Diskussionsteilnehmer sahen die Kennzeichnungspflicht daher als wichtiges Zeichen der Transparenz an, einzig Bernhard Witthaut von der GdP sprach sich gegen diese aus.

Bezüglich der Genehmigung eines kontrollierten Abbrennens von Pyrotechnik signalisierte er dagegen grundsätzliche Gesprächsbereitschaft. Die aus diversen Ultragruppen bestehende, bundesweite Faninitiative „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ hatte dem DFB kurz zuvor ein entsprechendes Konzept übergeben, welches der DFB ergebnisoffen prüfen will.

Dies kann allerdings nur ein erster Meinungsaustausch gewesen sein, weitere Gespräche müssen folgen. Welches Ergebnis am Ende erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.

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