Lagerfeuer Arminia

Rainer Schütte ist in Bünde aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte er Betriebswirtschaftslehre in München. Anfang der 1990er Jahre kam er, mittlerweile verheiratet und Vater zweier Töchter, nach Ostwestfalen zurück. Beruflich ist er Unternehmer mit großer Erfahrung bei Sanierungen. Zu Arminia geht er, seit er elf Jahre alt ist – immer mit dem Triebwagen aus Bünde nach Bielefeld. Obwohl er in München seine, wie er sagt, „Nebenliebe“ zu 1860 entdeckte, war bei seiner Rückkehr nach Bielefeld „gleich wieder Arminia die uneingeschränkte Nummer Eins“. Er hat seine Dauerkarte auf Block G. Über seine Tätigkeit bei der Möller-Group kam Rainer Schütte zum Bündnis Ostwestfalen.

Dr. Maurice Eschweiler ist gebürtiger Kölner. Er ist im Westmünsterland groß geworden und studierte Betriebswirtschaftslehre in Münster und Vancouver. In Münster promovierte er auch. Eigentlich strebte er eine wissenschaftliche Karriere an der Universität an – er forschte u.a. zu Themen des Profifußballs aus betriebswirtschaftlicher Perspektive. „Meine Freunde sagen, ich sei das `Lexikon des unnützen Fußballwissens´. Ich kann mich sehr für die Nebensächlichkeiten auch außerhalb des Platzes begeistern.“ Aufgrund enger Beziehungen zum seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden über den gemeinsamen Doktorvater arbeitet Maurice Eschweiler seit gut 14 Jahren bei Gildemeister bzw. DMG MORI in Bielefeld und ist nun Generalbevollmächtigter des Unternehmens. Zu Arminia ist er über eine gute Freundin gekommen, die ihn vor vielen Jahren mit auf die Alm genommen hat. Er initiierte das breit angelegte Engagement von DMG MORI im Gesamtverein, unter anderem als Trikotsponsor der U10 bis U16, und engagierte sich später auch stark im  Bündnis Ostwestfalen.

Dr. Olaf Köster kam bereits in seinem ersten Lebensjahr aus Konstanz am Bodensee nach Ostwestfalen. Er ging in Gadderbaum in die Martin-Schule (Grundschule) und in Bethel zum Bodelschwingh-Gymnasium, sein Abitur machte er schließlich in Oerlinghausen. Er studierte und promovierte in Trier in den Fächern Phonetik, Germanistik und Anglistik. Danach arbeitete er für das Bundeskriminalamt. „Mein Fachgebiet ist die forensische Sprechererkennung. [Anm.: kriminaltechnische Stimmenanalyse] Was ich bei meiner Tätigkeit wirklich gelernt habe: Analytisch zu sein und Schlüsse zu ziehen. Das sind Dinge, die auch im Fußballbereich hilfreich sein können.“. Heute ist er in Nebentätigkeit für das BKA tätig, er ist privater Gutachter, außerdem gibt er Aus- und Fortbildungskurse und hält wissenschaftliche Vorträge. Sein erstes Arminia-Spiel besuchte Olaf Köster im Jahre 1980. Er ist seit 25 Jahren Vereinsmitglied. „Damals war die nicht ganz unumstrittene, aber erfolgreiche Ära Lamm. Das hat mich so begeistert, mit Arminia wieder auf die große Fußballbühne zurückzukehren, da bin ich Mitglied geworden und ich glaube, ich kann mich nicht erinnern, dass ich seitdem tatsächliche eine Jahreshauptversammlung verpasst hätte.“. Sein schönstes Arminia-Erlebnis war der Aufstieg in die Zweite Bundesliga 1995 in Neunkirchen. Olaf Köster ist außerdem Gründungsmitglied des Arminia Supporters Club und war 2010/2011 Mitglied des Verwaltungsrates. Er gehört dem Fanclub „Almvirus“ an, mit dem er sogar einmal die offizielle Fußball-Fanclub-Meisterschaft von Arminia gewonnen hat (2001).

Die Kandidaten haben also einen guten Schuss Schwarzweißblau im Lebenslauf. Was hat sie bewogen, sich zur Wahl zu stellen?

Hier ist es bei allen Dreien neben der Motivation, sich weiter im Verein engagieren zu wollen, auch die Arbeit, die die Verantwortlichen bei Arminia bereits leisten. „It’s all about people“, sagt Rainer Schütte. Ausschlaggebend war für ihn das Kennenlernen der handelnden Menschen bei Arminia. „Die Art und Weise der handelnden Personen beim DSC, wie sie arbeiten, wie sie kommunizieren, das ist einfach herausragend. Und je mehr Menschen ich kennengelernt habe, habe ich gesagt: Das ist toll hier! Wie man Kommunikation betreibt und versucht, Dinge transparent zu machen, das ist großartig! Trotz der vielen Schwierigkeiten, die Menschen haben es trotzdem gut gemacht. Mit wahnsinnig viel persönlichem Engagement und Herzblut. Der Gesamtverein steht für diese bestimmte Haltung, und das gefällt mir sehr gut! Und über das Kennenlernen hat es sich irgendwann verdichtet.“.

Arminia steht also für Herzblut, Engagement und den „menschlichen Faktor“. Aber es gibt noch mehr, was den DSC aus Sicht der Bewerber zu etwas Besonderem macht?

Maurice Eschweiler hat hier ein anschauliches Bild: Arminia Bielefeld ist das Lagerfeuer für die Stadt und die Region, an das sich jeder setzen kann. „Alt und Jung, Arm und Reich, jeder soll eine Heimat haben bei Arminia Bielefeld. Dadurch ist Arminia Bielefeld viel mehr als nur ein Tabellenplatz.“. Auch Olaf Köster hat einen Vergleich, der daran anschließt: „Ihr erinnert Euch an das berühmte Klopp-Interview. Arminia, im ganzen Orchester der Profivereine, ist einfach ‚the normal one‘. Wir sind die durchschnittlichen, bodenständigen Ostwestfalen und dabei verdammt erfolgreich. Wir müssen nicht ‚Show und wenig dahinter‘ machen, sondern uns daran orientieren, wie Ostwestfalen tickt und das auch repräsentieren hier bei Arminia. Das heißt: Mehr ´Sein als Schein´, bescheidenes, ruhiges, entspanntes Auftreten und trotzdem was richtig Geiles abliefern. Auf Deutsch gesagt: Der Begriff des ‚hidden champion‘.“

Rainer Schütte sagt: „Die größte Stärke, die der Verein im Moment hat, haben wir in der letzten Saison gesehen: Alles kann, nichts muss. Du musst nicht aufsteigen, um nicht pleite zu gehen. Und das wäre schön, wenn das bei Arminia nachhaltig sein könnte. Natürlich gehört Erfolg im Sport dazu. Bei der zweiten Damenmannschaft, in der Hockeyabteilung, in der Profiabteilung ganz besonders, aber es darf nicht der ausschließliche Grund sein, um beieinander zu sein.“ Olaf Köster stellt die mentale Grundlage ebenfalls dar: „Wir haben inzwischen andere, auch große, Vereine hinter uns gelassen, und zwar in puncto ´Angst haben`. Wir haben jahrelang nur mit der Angst gelebt. Und jetzt können wir mit einer relativen Ruhe arbeiten.“ Rainer Schütte nimmt die Debatte um das „Arminia-Blau“ als Beispiel: „Das Beste daran finde ich: Wenn wir das lange und intensiv diskutieren, ist das ein fantastisches Zeichen, weil dann haben wir keine anderen Probleme. Ich meine das gar nicht despektierlich, denn bis vor kurzem hatten wir noch vollkommen andere Themen. Dass wir uns mit Markenbildung bei Arminia beschäftigen, das ist unglaublich, und nicht nur mit dem Thema ‚Wie bleiben wir in der Liga?‘, ‚Wie kriegen wir die Kohle zusammen?‘, ‚Wie baggern wir um die nächste Lizenz?‘. Das hat es jahrelang nicht gegeben.“ Er unterstreicht außerdem: „Dazu gehört auch der Verein als Ganzes.“ und betont das soziale Engagement des DSC. „Wenn Hans-Jürgen Laufer sich hinstellt und Bäume pflanzt, dann ist das ein wichtiges Zeichen. Oder das Thema Inklusion, wo der Verein sehr engagiert ist.“

Rainer Schütte und Maurice Eschweiler kommen aus dem Bündnis Ostwestfalen. Nach einem Zeitungsartikel kam in Arminias Umfeld der Gedanke auf, das Bündnis wolle den Verein übernehmen.

Dazu sagt Maurice Eschweiler: „Dass das Bündnis den Verein übernehmen will, das stimmt überhaupt nicht, noch nicht mal im Ansatz. Wir wollen als Präsidium einen Beitrag leisten, dass wir den Weg fortsetzen, das hat aber nichts damit zu tun, dass wir im Bündnis sind. Das Bündnis bleibt weiterhin lediglich Berater und Unterstützer des Vereins.“ Auch Rainer Schütte betont das: „Das Bündnis will auf keinen Fall, aus welchen Gründen auch immer, handelnde Personen in der Führung oder in der Verwaltung beeinflussen oder überstimmen. Es geht darum, positiver Begleiter zu sein. Nicht Geld zu geben, sondern zu begleiten. Wir wollen nicht die Verhältnisse Leipzig oder die Verhältnisse Berlin, wie sie jetzt so allmählich sichtbar werden. Dafür stehen wir in keiner Art und Weise.“

Dann reden wir über eine andere Sache, nämlich wofür das Kandidatenteam steht.

Das fasst Maurice Eschweiler zusammen: „Wir drei, wir stehen für Kontinuität. Das ist eine ganz wichtige Botschaft! “ Und er führt aus: „Der Weg, der hier eingeschlagen wurde über die letzten drei Jahre, ist genau der richtige. Wir haben Verbundenheit zum Verein und haben unseren Beitrag geleistet, Olaf Köster als ständiger, kritischer Begleiter, Rainer Schütte und ich im Bündnis Ostwestfalen. Wir stehen für wirtschaftliche Solidität, Augenmaß, für ostwestfälisches Unternehmertum und dass wir alle im Verein auch bei Misserfolgen einen gemeinsamen Weg gehen.“

Olaf Köster ergänzt zum Thema Kontinuität: „Man kann nicht pauschal sagen: Die letzten 50 Jahre bei Arminia gingen ausschließlich in die richtige Richtung und das wollen wir jetzt weitermachen. Aber in der jüngeren Vergangenheit sind die Dinge tatsächlich in die richtige Richtung gelaufen. Wir werden diese jüngere Vergangenheit kontinuierlich fortsetzen.“ „Kontinuität ist ein ganz wichtiger Punkt.“, ergänzt Rainer Schütte, „So wie das aktuelle Präsidium, wie aber auch die beiden Geschäftsführer der KGaA, und das, wofür die in den letzten Jahren gestanden haben. Die haben Arminia kontinuierlich weiterentwickelt und mit Augenmaß gehandelt.“

Als Fan macht man ja gern Milchmädchenrechnungen auf: Bundesliga bedeutet mehr Geld. Soll das in den Profikader investiert werden oder doch lieber in die Infrastruktur des Gesamtvereins?

Dazu sagt Rainer Schütte: „Ganz einfach, ganz schnell geantwortet: Wir haben überhaupt keine großen Wahlmöglichkeiten. Wir können von Glück reden, dass wir in der Saison 20/21 in die erste Liga aufgestiegen sind und mit den Mehreinnahmen überleben konnten. Der Gesamtverein muss gucken, dass wir, anders als viele andere, ordentlich durch die Pandemie-Zeit kommen und trotzdem die Dinge tun können, die sich sowohl der e.V. als auch die KGaA vorgenommen haben. Was macht eigentlich einen Verein aus? Wofür stehen wir? Nicht nur Geld ausgeben, Spieler kaufen, das ist dann der Verein.“ Er nimmt das Bündnis Ostwestfalen als Beispiel: „Alle Teilnehmer des Bündnisses Ostwestfalen stehen dafür, dass sie das Muster des Agierens des mittelständischen Unternehmers in Deutschland, insbesondere in Ostwestfalen, haben. Da sind Firmen, die machen keinen großen Umsatz, aber die sind wahnsinnig erfolgreich und hoch anerkannt! Und warum soll das ausgerechnet im Fußball nicht gehen? Da wird alles zugekippt mit Geld. Vielleicht gibt es auch andere Wege.“. Olaf Köster fügt hinzu: „Ziel ist oder muss auch eine Konzentration auf immaterielle Werte sein. Das wird in der Zukunft immer bedeutsamer, auch im e.V. Gesellschaftliches Engagement, vor Ort, auch in der Stadt. Die Vergangenheit hat gezeigt: Egal, ob man in Beine übermäßig investiert hat, 90er Jahre, oder Steine, Stichwort Tribüne, führte das direkt an den Rand des Abgrundes. Daraus können wir lernen, dass wir Fehler nicht wiederholen.“

Welche Bedeutung haben die Mitglieder des e.V.?

Rainer Schütte sieht dies so: „Die Mitglieder sind diejenigen, denen wir gegenüber verpflichtet sind. Wir haben außerdem eine Verantwortung für die Mitarbeiter des e.V.; und auch der Tochter, der KGaA. Und die dritte Gruppe ist die Öffentlichkeit. Dort müssen wir  als Präsidium Haltung zeigen zu bestimmten Themen. Das sind hier und da politische Themen, die uns nicht gut tun, siehe diese Zettelaktion der rechtsextremen Szene vorm Stadion, wo wir dann gefordert sind.“.

Olaf Köster sagt: „Den Mitgliedern gehört im erweiterten Sinne Arminia Bielefeld. Wir als Präsidium müssen als deren Repräsentanten, als Repräsentanten des Vereins das Bestmögliche für den Verein tun, zusammen mit den Geschäftsführern der KGaA. Den Mitgliedern gegenüber sind wir verpflichtet.“ „Die Mitglieder sind die Basis, ohne die werden wir nicht gewählt. So einfach ist das.“, sagt Maurice Eschweiler, „Natürlich muss es auch da einen guten Austausch geben. Wir müssen sehen, was passiert, und ein offenes Ohr haben.“

Und welche Bedeutung haben die Fans des DSC?

„Wir stehen im Dialog.“, sagt Rainer Schütte, „Natürlich ist es schwer bei einem Verein von 14.000 Mitgliedern mit allen Fangruppen deckungsgleich zu sein. Wir haben ein buntes Bild und das ist auch gut so.“. Maurice Eschweiler räumt ein: „Wir werden es am Ende aber nicht allen recht machen können. Das muss auch klar sein.“. „Aber,“ sagt Olaf Köster, „Wir sind kommunikativ, wir können zuhören. Das ist jetzt gar nicht mal nur so auf Fans bezogen, sondern grundsätzlich gemeint. Wir sind sehr lebensoffen. Und das gilt als Basis. Im Falle des Falles setzt man sich mit dem Thema auseinander.“

Olaf Köster hat auch das Schlusswort: „Ich würde mich freuen, wenn jeder, der in diesem Verein Mitglied ist, stolz ist, Mitglied zu sein, Freude daran hat, Mitglied zu sein, sich identifiziert, und das dann unterm Strich auch zu seinem persönlichen Lebensglück beiträgt. Wie bei der Veranstaltung, die wir unten in Wiesbaden hatten (vergleiche Supporter #40). Das war ‚Von Mitgliedern für Mitglieder‘. Das waren die Rhein-Main-Arminen aus dem bundesweiten Netzwerk. Und das ist für mich so eine Symbolveranstaltung, so stelle ich mir Vereinsleben, Vereinskultur vor, neben dem Profifußball an sich.

Wir bedanken uns bei den drei Kandidaten für das Gespräch, das Interview führte Jan-Hendrik Grotevent.

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